Wenn Knochen splittern und sich das Wasser rot verfärbt
Es war irgendwann im Jahr 2002 im Badeland in Wolfsburg. Ich lag dort entspannt mit ein paar Freunden auf meinem Handtuch herum und beobachtete die Badegäste. Mein Handtuch war sehr groß, deswegen hatten wir alle genügend Platz. Mir fielen die vor Glück schreienden jungen Menschen an den Wasserrutschen auf. Diese hemmungslose Begeisterung, lachende Gesichter, höchste Zufriedenheit. All das faszinierte mich auf eine Art und Weise, dich ich, keine Ahnung.... Ich selbst war auch zufrieden, die gute Laune sprang auf mich über. Lange hielt meine Zufriedenheit nicht an, denn intrusive Gedanken machten sich mal wieder in meinem Schädel breit. Was sich dort abspielte, verwendete ich viele Jahre später als Albtraum-Sequenz in dem Buch "Blackfin Boys – Die Hölle soll warten":
...eine sehr gute Idee von Julius, nur leider völlig nutzlos – denn der Albtraum näherte sich in kleinen Schritten...
Ach, wie schön, ich bin in einer Badeanstalt. Sogar eine riesige Wasserrutsche haben sie hier, geil! Wenn ich mich so umsehe – keiner
hier, den ich kenne. Was soll’s, hier kann man auch alleine Spaß haben. Auf geht es zur Wasserrutsche. Ich sehe schon, wie die ganzen Kinder aus dem Ende der Röhre ins Becken stürzen. Sie sehen
so zufrieden und ausgelassen aus. Aha, einige steigen aus dem Becken und stellen sich gleich wieder an, die veranstalten wohl ein Dauerrutschen. So, jetzt stehe ich endlich auch in der Reihe. Wie
läuft denn das hier? Ach so, es geht mit einem kleinen Fahrstuhl zehn Meter nach oben, von dort aus geht’s direkt auf die Rutsche – cooles System.
Ups, was ist denn jetzt? Das Licht dunkelt stark ab, es wird kälter, und die Badegäste sind auf einmal stumm, sie geben nicht einen
einzigen Laut von sich. Ihre Gesichtsausdrücke, so emotionslos. Trotzdem rutschen sie immer noch weiter, nur scheint keiner mehr Freude zu haben. Was ist hier bloß los? Oh, da kommen vier
Handwerker. Zwei von ihnen tragen eine viereckige Glasscheibe. Ziemlich dick, bestimmt einen Meter mal einen Meter groß. Ist hier was kaputt? Hm, jetzt wird der Fahrstuhl gestoppt, keiner benutzt
mehr die Rutsche. Es läuft jetzt auch kein Wasser mehr aus der Röhre. Wahrscheinlich wegen der bevorstehenden Reparatur – aber was wird repariert?
Hey, die Handwerker setzen die Scheibe direkt auf den Ausgang der Rutsche und montieren sie dort. Was soll das? Wenn die
Kinder rutschen, werden sie doch mit voller Wucht gegen diese Scheibe knallen. Und wenn vier, fünf oder zehn Kinder rutschen – das mag ich mir gar nicht vorstellen. Die Badegäste sehen doch, was
hier geschieht – und keiner unternimmt was? Sie glotzen alle nur blöde. Warum sage ich nichts? Warum verhindere ich das Anbringen der Scheibe nicht? Ich sehe nur zu und stehe weiterhin in der
Schlange. Jetzt dichten sie die Scheibe rundherum mit Silikon ab. Einer von ihnen klebt ein Schild an die Scheibe – mit der Aufschrift Schaufenster des Todes. Das ist doch furchtbar.
Nun verschwinden die Handwerker – der Fahrstuhl fährt weiter und das Wasser läuft wieder, es sammelt sich in der Röhre und wird durch
die Glasscheibe gestaut. Ich will rufen: „Stopp! Stehenbleiben!“ – ich kann aber nicht sprechen. Was für ein Horror, die Kinder oben an der Rampe rutschen wieder – das wird ihr Tod sein. Oh nein,
ein Junge knallt gegen die Scheibe, er ist bewusstlos. An der Scheibe läuft Blut herunter. Und noch einer – das geht ja im Sekundentakt, die kleinen Körper schlagen alle aufeinander, ihre
Gesichter sind schon unter Wasser, die können nicht atmen, weil sie von anderen Kindern heruntergedrückt werden. Die Röhre ist nun vollständig geflutet und mit einem dutzend Kindern verstopft.
Einige von ihnen kämpfen noch ums Überleben, andere schweben nur noch leblos im blutgefärbten Wasser. Es ist so fürchterlich, die armen Seelen. Was ist jetzt? Ein Handwerker kehrt zurück, in der
Hand ein großer Vorschlaghammer. Was hat er vor? Er geht zur Glasscheibe, holt aus, und schlägt ein Loch in das Schaufenster des Todes. Die Kinder pladdern heraus-, und fallen in das
Auffangbecken. Sie sind alle tot. Oh nein, einige von ihnen bleiben an den scharfen Glaskanten des Loches hängen – ihre Körper werden dadurch aufgerissen …
„Hilfe! Oh Mann, es war nur ein Traum, ich bin völlig durchgeschwitzt.“
Das war alles so real. Ich glaube, jetzt gehe ich mal unter die Dusche. Roland und Froy schlafen bestimmt schon – jedenfalls höre ich
kein fließendes Wasser mehr. So, leise die Tür aufgemacht … und fast in ein benutztes Kondom getreten – Schweine, die. Egal, schnell abduschen und zurück ins Bett, ich bin
hundemüde...
Text: Auszug aus dem Taschenbuch / eBook BLACKFIN BOYS II – DIE HÖLLE SOLL WARTEN (aka Blackfin Boys gegen die Nazis). Alles zu dieser außergewöhnlichen und spannenden Jugendbuchreihe hier.